Neuburger Demenzstudie (deutsch)

pdf-Datei: Studie Original-Veröffentlichung

Zahnlosigkeit: Ein neu identifizierter Risikofaktor für die Alzheimerdemenz.

– Die Neuburger Demenzstudie –

Abstraktfassung vom 24.9.2000
Dienel, Max, Geriatrische Fachklinik Neuburg / Donau,
max.dienel@geriatriezentrum.de

 

Fragestellung: Haben Alzheimerpatienten weniger Zähne als gleichaltrige Nichtdemente?
Studiendesign: In der Geriatrischen Fachklinik Neuburg wurde vom 1.7.1998 bis 31.10.1999 bei nahezu allen stationären Patienten (N=1038) die Anzahl der festsitzenden Zähne erfasst. Routinemäßig wurde bei jedem Patienten ein Mini-Mental-Status (MMS) und der Entlassungsbarthelindex (Barthel) erhoben.
Die Diagnose Alzheimerdemenz (N=124) , vaskuläre Demenz (N=34) oder die Mischform aus beidem (N=26) wurde nach den ICD 10 Kriterien gestellt und klinisch durch eingehende Fremdanamnese gesichert. Eine Computertomografie des Schädels liegt von 31/25/19 dementen Patienten vor.

Ergebnisse: Patienten mit schwerer Alzheimerdemenz (MMS<=20, Barthel<=70; N=69) hatten lediglich 0,2 Zähne, Standardabweichung (s) = 0,8 (7 bezahnt = 10,1%; Alter 83,3; MMS 12,7; Barthel 47,7). Leichte Alzheimerpatienten (MMS>20, Barthel>70; N=55) hatten 1,5 Zähne (9 bezahnt = 16,4%; Alter 82,2; MMS 18,3; Barthel 80,2). Die gleichaltrigen Nichtdementen der Kontrollgruppe (MMS > 25, Alter>77; N=209) hatten im Mittel noch 4,7 Zähne, s = 7,4 (92 bezahnt = 44,0%;
Alter 82,9; MMS 27,7; Barthel 82,4).
Patienten mit vaskulärer Demenz waren mit 78,4 Jahren deutlich jünger und verfügten noch über 6,9 Zähne (20 bezahnt = 58,8%). Zum Vergleich: Die 99 Patienten mit ischämischen Insulten hatten 6,7 Zähne (56 bezahnt = 56,6%) und waren ebenfalls im Mittel 78,4 Jahre alt. Bei der gemischten Demenz hatten die Patienten noch 4,0 Zähne (12 bezahnt = 46,1%, Alter 82,1).

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, daß Zahnlosigkeit ein eigenständiger, vom Alter unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer Alzheimerdemenz ist. Da der Zusammenhang von zuckerreicher Ernährung und Zahnkaries wissenschaftlich gesichert ist, ist dies möglicherweise ein Hinweis darauf, daß eine zuckerreiche Ernährung eine Mitursache bei der Entstehung der Alzheimerdemenz ist. Auffällig ist weiterhin, daß ausgerechnet die vaskulären Demenzen und ischämischen Insulte wesentlich seltener mit Zahnlosigkeit einhergehen.

Zusammenfassung: Schwere Alzheimerpatienten haben 20 mal weniger Zähne als gleichaltrige Nichtdemente (0,2 versus 4,7 Zähne pro Patient, p<0,0001). Zahnlosigkeit ist somit ein eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimerdemenz. Möglicherweise sind die noch erhaltenen Zähne der Nichtdementen eine Art „Langzeitgedächtnis“ für eine lebenslange gesündere Ernährungsweise, die eventuell vor Alzheimer schützt.